Griaß De. I bin da Julian, bin zwoàrazwanzg Johr alt, leb vegan und kimm aus Bayern. Ich hoffe Du verstehst, was ich mit dem ersten Satz sagen wollte. Um Dir das weitere Lesen zu vereinfachen, werde ich mich bemühen Hochdeutsch zu schreiben. Wie bereits gesagt, komme ich aus Bayern, lebe seit nunmehr 2 Jahren vegan und bin derzeit für ein halbes Jahr in Berlin.
Meine Heimat in Bayern
Bei meiner Ankunft in der Hauptstadt war ich erstmal erschlagen von den vielen Eindrücken. Ohne meinem Smartphone habe ich mich nicht auf die Straße getraut. Zum Vergleich: Ich komme aus einem behüteten kleinen Dorf in der Nähe vom Tegernsee, in dem jeder jeden kennt. Solange ich mich erinnern kann, stehen hinter den Tresen der Dorfmetzgerei und der Bäckerei die selben Verkäufer. Durch das Dorf verläuft eine große Hauptstraße. Umkreist wird das Dorf mit saftigen grünen Wiesen, vor einem herrlichen Bergpanorama, auf denen Kühe grasen und der Fuchs dem Hasen „Gute Nacht“ sagt!
Das Ganze klingt jetzt tatsächlich sehr nach Klischee, dennoch fühle ich mich wohl in meiner Heimat und möchte an dieser Stelle kurz mit einigen Vorurteilen aufräumen, die mir in Berlin begegnet sind. Nein, in Bayern gibt es nicht morgens, mittags und abends Weißwurst und Schweinsbraten und mittlerweile hat auch in allen Dörfern ein motorisiertes Gefährt den guten alten Ochsenkarren abgelöst (Du wirst lachen, aber mir wurde tatsächlich diese Frage gestellt). Doch das nur am Rande.
Vegan leben im Dorf – Eine Herausforderung
Tatsächlich musste ich allerdings feststellen, dass es als Veganer in meinem Dorf nicht so einfach ist, schlicht da die Einkaufsmöglichkeiten eher begrenzt sind. Der nächste Supermarkt liegt einige Kilometer entfernt in der Kreisstadt und auch dort gibt es lediglich einen Biomarkt, bei dem vegane Produkte bislang nur ein kleines Regal füllen. Wenn man natürlich nach München fährt, ist die Auswahl an veganen Produkten in den letzten Jahren deutlich gestiegen, dennoch habe ich das Gefühl, dass sich das Ausmaß des veganen Lifestyles noch in Grenzen hält. Ich vermute, dass auch in anderen Bundesländer, die Verbreitung von veganen Produkten auf dem Dorf noch zu Wünschen übrig lässt. Gerade weil die tierischen Produkte, die es bei uns auf dem Dorf zu kaufen gibt, meist von umliegenden Schlachtbetrieben stammen, die auf regionale Bauern setzen.Doch auch wenn es den Tieren, die rund um mein Dorf auf den Weiden leben, gut gehen mag, so habe ich für mich entschieden, Massentierhaltung und Tierquälerei nicht zu unterstützen und deshalb ganz auf tierische Produkte zu verzichten. Zunächst konnte meine Familie nicht wirklich nachvollziehen, wieso ich diese Entscheidung getroffen habe und auch die Mahlzeiten richteten sich nicht wirklich nach mir. In meiner Anfangsphase habe ich eher von Beilagen gelebt. Doch je intensiver ich mich mit dem Thema Veganismus auseinandergesetzt und in diesem Zuge auch ausprobiert habe, umso mehr Spaß habe ich am Kochen und meine Familie an der veganen Ernährung gefunden. Meine Hauptbezugsquelle für vegane Produkte war allerdings das Internet.
Berlin und seine vielen Seiten
Das sollte sich hier in Berlin aber ändern. Gleich am zweiten Tag bin ich in den Veganz an der Warschauer Straße gestürmt und konnte nicht fassen, was für eine riesige Auswahl an veganen Produkten in diesem Laden zu finden sinf. Ich bin für ein Praktikum nach Berlin gekommen, das ich bei Briefkeks, einem Onlineshop für vegane Süßigkeiten, absolviere. Das heißt mit Süßigkeiten war ich durch meine Arbeit bereits gut eingedeckt. Auf den Tischen steht immer jede Menge vegane Schokolade und Co., die das Team testen soll, bevor die Produkte in das Sortiment aufgenommen werden. Der Himmel auf Erden für mich. Und noch besser ist, dass ich am Prenzlauer Berg arbeite. Egal welche Straße ich entlang laufe, an jeder zweiten Ecke findet sich ein veganes Café, ein veganer Burgerladen oder einfach nur eine vegane Bäckerei.
Kurzum kann ich sagen, dass ich als Veganer in Berlin voll auf meine Kosten komme. Mittlerweile kenne ich mich auch in meinem Kiez soweit aus, dass ich mich auch ohne Smartphone auf die Straße traue und somit auch die kulturelle Seite von Berlin für mich entdeckt habe.
Doch auch nach 3 Monaten Berlin konnte ich meinen bayerischen Dialekt nicht ablegen. So kam es, dass ich am Schalter eines Museum den Kassierer mit einem tiefbayerischen „Servus“ begrüßte. Ein Grinsen zog sich über sein Gesicht und mit singender Stimme erwiderte er: „Servus, Pfiatdi und Grüß Gott. Mein lieber Bayer was kann ich für Dich tun!“ Zunächst etwas verlegen, musste ich dann auch grinsen. Nach dem Zahlen entschuldigte er sich bei mir, dass er nur ein Programm in Hochdeutsch vorrätig hätte und die bayerische Version aktuell vergriffen sei. Er könne aber gern übersetzen, falls ich etwas nicht verstehen sollte. Da es sich bei der Ausstellung um ein Panorama handelte, lehnte ich dankend ab.
Womit ich mich noch nicht wirklich anfreunden kann, ist die absolute Anonymität, die in Berlin herrscht. Ich weiß viele Menschen schätzen diese und ziehen deshalb bewusst in eine Großstadt wie Berlin. Doch aus meinem Dorf bin ich es gewohnt, dass ich egal, wo ich hingehe, die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, ein vertrautes Gesicht zu treffen und ins Gespräch zu kommen.
In einem Monat werde ich Berlin wieder verlassen und in meine Heimat zurückkehren. Ich habe viele neue interessante Menschen kennen gelernt und werde Berlin mit einem weinenden und einem lächelnden Auge verlassen. Eine wertvolle Erfahrung war es allemal für mich und bestimmt nicht mein letzter Besuch in Berlin. Und wer weiß vielleicht verschlägt es mich doch mal beruflich für längere Zeit in die Hauptstadt. Aktuell bin ich auf jeden Fall gespannt, meine Erfahrungen mit meiner Familie zu teilen und ihnen die ganzen neuen veganen Produkte und Gerichte zu zeigen, die ich in meinem Abenteuer Berlin kennengelernt habe. An dieser Stelle bleibt mir noch zu sagen.
Ade, Pfiatdi, Tschüss und ganz sicher bis bald.
Über den Autor:
Julian lebt seit 2 Jahren vegan. Zunächst Vegetarier, hat er 2014 die vegane Lebensweise für sich entdeckt. Neben dem veganen Lifestyle ist seine zweite große Leidenschaft Schokolade. Auf der Suche nach einer veganen Alternative ist er auf den veganen Onlineshop Briefkeks gestoßen. Mittlerweile arbeitet er für das Unternehmen und ist jeden Tag aufs Neue von der Vielfalt veganer Produkte begeistert.